Zusätzliches Geld für die Städte und Gemeinden, schnellere Asylverfahren, mehr Sprachförderung für Flüchtlinge und Integration in den Arbeitsmarkt: Im Vorfeld des Koalitionstreffens zur Flüchtlingspolitik hat die SPD-Fraktion ihre Haltung abgesteckt. Der Düsseldorfer SPD-Bundestagsabgeordnete Andreas Rimkus ist überzeugt von der Wirkung des Positionspapiers: „Unsere Botschaft ist: Wir kriegen das hin! Dazu werden wir im Bundestag ein kraftvolles Paket beschließen. Das oberste Ziel der SPD-Bundestagsfraktion ist es, Menschen, die fliehen mussten und in Deutschland Schutz suchen, auch menschenwürdig aufzunehmen. Für uns Abgeordnete ist klar: Das ist eine gesamtstaatliche Aufgabe, die Deutschland fordert, aber nicht überfordert – wenn Bund, Länder, Kommunen und Zivilgesellschaft zusammenarbeiten. In meinem Düsseldorfer Wahlkreis hat mich die Hilfsbereitschaft und das Engagement der Düsseldorferinnen und Düsseldorfer in den letzten Monaten und speziell in den letzten Tagen sehr beeindruckt. Mein herzlicher Dank und meine Solidarität gelten an dieser Stelle daher auch allen haupt- und ehrenamtlich tätigen Personen, die mit ihrer Arbeit eine mitmenschliche Willkommenskultur praktizieren und damit ein modernes Land verkörpern.“
In ihrem am 4. September 2015 beschlossenen Positionspapier „Flüchtlingspolitik: Geschlossen und entschlossen handeln!“ beziehen die SPD-Abgeordneten klar Position zur Flüchtlingsherausforderung und fordern „ein umfassendes Handlungspaket, um die aktuelle Lage in den Griff zu kriegen und gleichzeitig die integrative Kraft unserer Gesellschaft zu stärken“.
Sofortprogramm für mehr Erstaufnahme-Plätze aufsetzen
Das oberste Ziel der SPD-Bundestagsfraktion ist es, Schutzsuchenden eine menschenwürdige Versorgung zu gewährleisten. Die SPD-Fraktion fordert daher ein Sofortprogramm für mehr Erstunterkünfte:
- Von den zusätzlich 100.000 benötigten Plätzen zur Erstaufnahme, soll der Bund die Hälfte selbst bereitstellen.
- Dafür sollen u. a. Bundesimmobilien mietzinsfrei zur Verfügung gestellt werden, noch bestehende baurechtliche Hürden beseitigt und Spielräume im öffentlichen Vergaberecht genutzt werden.
Die enormen Zuwanderungszahlen bringen die Kommunen an die Grenzen ihrer finanziellen und organisatorischen Kapazitäten. Der Bund muss ihnen unter die Arme greifen.
- Für 2015 wurde die Unterstützung für betroffene Kommunen bereits auf 1 Milliarde Euro verdoppelt.
- Die SPD-Abgeordneten halten eine weitere Aufstockung der Bundesmittel für betroffene Landkreise für notwendig.
Bei 800.000 Asylbewerberinnen und -bewerbern, mit denen die Bundesregierung bis zum Jahresende in Deutschland rechnet, geht SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann von einem Entlastungspaket des Bundes in einer „Größenordnung von 3 Milliarden Euro plus X“ aus. „Die Kommunen müssen durchatmen können, denn wir haben noch eine ganze Menge Arbeit vor uns“, betonte Oppermann am Freitag am Rande der Fraktions-Klausurtagung in Mainz, auf der das Fraktionspapier beraten und beschlossen wurde.
Noch im September wird eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zudem erste Ergebnisse präsentieren, wie die vom Bund zugesagte strukturelle und dauerhafte Unterstützung ab 2016 aussehen soll.
Asylverfahren beschleunigen und priorisieren
Um die Bearbeitung von Asylanträgen weiter zu beschleunigen (bislang deutlich über der Zielmarke von drei Monaten), fordert die SPD-Bundestagsfraktion:
- Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) muss personell weiter verstärkt werden, auch über die für dieses und nächstes Jahr bewilligten 2000 neuen Stellen hinaus. Für die rasche Besetzung mit qualifiziertem Personal sollen „im rechtlich möglichen Rahmen auch unkonventionelle Maßnahmen zur Personalrekrutierung“ genutzt werden.
- Asylanträge mit geringer Aussicht auf Anerkennung, wie z. B. aus den West-Balkan-Staaten, werden bereits prioritär bearbeitet. Die SPD-Fraktion plädiert dafür, dass Verwaltungen „vorhandene Spielräume“ ausschöpfen, um Asylverfahren weiter zu vereinfachen und zu beschleunigen.
- Die SPD-Fraktion unterstützt zudem die Verstärkung personeller Kapazitäten in ausgewählten Botschaften, um die Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern der Asylbewerber zu verbessern. Ziel ist es, Menschen bereits in ihren Herkunftsregionen ein objektives Bild der asyl- und aufenthaltsrechtlichen Chancen in Deutschland zu vermitteln.
In diesem Zusammenhang stellt SPD-Fraktionschef Oppermann klar: „Wir wollen, dass von den Erstaufnahmeeinrichtungen nur noch Flüchtlinge mit einer klaren Bleibeperspektive an Kommunen weitergeleitet werden.“
Frühe Integration und Spracherwerb fördern
Zudem betont Oppermann: „Wir dürfen nicht die Fehler wiederholen, die wir damals bei den Gastarbeitern in Deutschland gemacht haben“. Deshalb gelte es, Menschen mit guter Bleibeperspektive schnell in die deutsche Gesellschaft zu integrieren:
- Damit möglichst alle Asylbewerber und Geduldeten, die voraussichtlich längere Zeit in Deutschland bleiben, einen raschen Zugang zu Sprachförderung und Integrationskursen erhalten, fordern die SPD-Abgeordneten eine Aufstockung entsprechender Einrichtungen und Programmmittel.
- Speziell für die Integration ausländischer Kinder fordert die SPD-Fraktion konkret eine Verdopplung der Mittel für das Kita-Sprachprogramm und empfiehlt zusätzliche Bundesinvestitionen Plätze bei Kindertagesbetreuung und in Einrichtungen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.
- Zwei Drittel der Asylsuchenden und Geduldeten sind im erwerbsfähigen Alter, heißt es im Fraktionsbeschluss. Um ihre Talente zu nutzen, müssen sie schnell in den Arbeitsmarkt integriert werden. Dafür müssen die Jobcenter eine angemessene finanzielle Ausstattung erhalten.
Viele Hürden für den Arbeitsmarktzugang wurden bereits abgebaut (verkürzte Wartefristen und Vorrangprüfung, Wegfall dieser bei „Mangelberufen“). Für die SPD-Fraktion reicht das nicht aus. Sie fordert:
- Für die gesamte Dauer einer Berufsausbildung soll die bisher jährlich verlängerbare Duldung durch eine dreijährige Aufenthaltserlaubnis ersetzt werden. Dies gebe ausbildenden Betrieben noch mehr Rechtssicherheit und schaffe ggf. eine Übergangsfrist zur Jobsuche.
- Wer in Deutschland eine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen hat, soll zudem ein unbefristetes Aufenthaltsrecht erhalten, fordern die SPD-Abgeordneten.
- Auch abgelehnte, qualifizierte Asylsuchende sollen unter bestimmten Voraussetzungen eine Aufenthaltserlaubnis bekommen. Dies könnte auch eine legale Einwanderungsoption für Menschen aus den West-Balkan-Staaten sein, die kaum Chance auf Asyl haben.
Letztendlich steht in diesem Zusammenhang auch die Forderung nach einem transparenten, modernen Einwanderungsgesetz im Beschlusspapier der SPD-Fraktion zur Flüchtlingspolitik. „Wo Menschen aus wirtschaftlichen Gründen kommen möchten, müssen wir weitere Perspektiven für qualifizierte Arbeitsmigration eröffnen, um das Asylverfahren zu entlasten“, heißt es im Beschluss der SPD-Fraktion.
Auch Europa ist gefordert
Die massenhafte Zuwanderung sei allerdings nicht nur ein deutsches, sondern vor allem ein europäisches Problem, betonte Oppermann bereits im Vorfeld der Fraktionsklausur. Es ginge jetzt darum, die europäischen Werte zu verteidigen und auch innerhalb Europas Solidarität zu zeigen. Insgesamt brauche Europa „eine neue europäische Flüchtlingsordnung“. Daher fordert die SPD-Fraktion in ihrem Beschlusspapier:
- Jedes Land in der EU muss seinen Beitrag leisten. Auf diese Weise werde Verantwortung solidarisch geteilt.
- Um Menschenleben auf der Flucht nach und durch Europa zu retten und illegalen Schleppern das Handwerk zu legen, müssen alle EU-Mitgliedstaaten einen finanziellen Beitrag leisten und sich mit Ausrüstung und/oder Personal beteiligen.
Bewusst ist den SPD-Abgeordneten aber auch: Die eigentlichen Ursachen der hohen Flüchtlingszahlen liegen außerhalb Europas. Die Fluchtursachen müssen langfristig bekämpft werden. „Die Menschen benötigen in ihrer Heimatregion eine Zukunftsperspektive“, heißt es im Fraktionsbeschluss. Die SPD-Abgeordneten sprechen sich daher dafür aus,
- „rasche humanitäre Hilfe, Krisenbewältigung, Stabilisierung, schnelle Aufbauhilfe und längerfristig angelegte Entwicklungszusammenarbeit“ und Hilfe für Flüchtlingslager im Ausland zu leisten, und
- die „Bleibeperspektive“ der Menschen in den West-Balkanländern im EU-Beitrittsprozess zu thematisieren und das Land ggf. durch Investitionen zu unterstützen.
Quelle: www.spdfraktion.de
Das Positionspapier „Flüchtlingspolitik: Geschlossen und entschlossen handeln!“ als PDF Download