Wasserstoffstrategie

Eckpunkte einer nachhaltigen Wasserstoffstrategie – Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion

1. Wasserstoff ist ein wichtiger Energieträger der Zukunft.
Bis spätestens 2050 wollen wir klimaneutral wirtschaften und leben. Wir sind deshalb in allen Bereichen auf die Bereitstellung von klimaneutraler Energie angewiesen. Wasserstoff kommt dabei in der Industrie, im Verkehr und im Gebäudebereich eine stark steigende Bedeutung zu. Eine ausschließlich strombasierte Energieversorgung ist nicht in allen Bereichen erreichbar oder erstrebenswert. Hinzukommen müssen deshalb aus er-neuerbaren Energien gewonnene Gase sowie Treib- und Brennstoffe.

Die für eine nachhaltige Wasserstoffwirtschaft erforderlichen Technologien sind zudem ein zentrales Kompetenzfeld deutscher Unternehmen. Wasserstoff leistet so nicht nur ei-nen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele, sondern auch zur Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich daher ausdrücklich für eine ambitionierte Wasserstoffstrategie ein, die auf einen schnellen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft und eine konkrete Markteinführung in zentralen Anwendungsfeldern setzt.

2. Produktion von Wasserstoff aus Erneuerbaren Energien deutlich erhöhen
In Deutschland wollen wir die Elektrolyseleistung von Wasserstoff mit Strom aus erneuer-baren Energien bis 2030 auf mindestens 10 GW erhöhen. Hinzu kommt der Import. Es ist unser Ziel, vorrangig auf Wasserstoff aus Erneuerbaren Energien zu setzen und zusammen mit den Partnern in Europa für einen schnellen Markthochlauf und einer damit verbundenen Kostensenkung zu sorgen, damit dieser Wasserstoff sich an den Märkten durchsetzen wird. Für den Ausbau der Erzeugungsinfrastruktur für Wasserstoff müssen gezielt die vorhandenen Potentiale für Offshore-Wind, Onshore-Wind und Photovoltaik genutzt werden, verbunden mit dem bundesweiten Aufbau großer Elektrolysekapazitä-ten. Dazu ist es erforderlich, den Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland und Europa deutlich zu forcieren. Der Ausbaupfad für die Erneuerbaren Energien ist kontinuierlich ohne Ausbaumengenbegrenzungen an realistische Prognosen des Bruttostro-verbrauchs anzupassen. Neben einem verstärkten Aufbau in Norddeutschland werden wir in den Programmen zur Strukturentwicklung in den Kohleregionen und zur Konjunkturförderung in der Folge der Covid 19 – Krise die Förderung der Erneuerbaren Energien und der Wasserstoffwirtschaft entsprechend verankern. Um den wirtschaftlichen Betrieb der Elektrolyseure zu ermöglichen, sollen diese mindestens bis zum Erreichen der Elekt-rolyseleistung von 10 GW auch finanziell gefördert werden, beispielsweise über eine Re-form der Steuern, Umlagen und Abgaben, über die sozialverträgliche Reform der Besonderen Ausgleichsregelung oder über Mittel aus dem Energie- und Klimafonds; gegebenenfalls auch in Kombination miteinander. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob weitere regulatorische Anpassungen im System der Steuern, Abgaben und Umlagen nötig und sinnvoll sind.

3. Wasserstoff als Perspektive für alle Sektoren
Wasserstoff als Energieträger ist perspektivisch für alle Sektoren von großer Bedeutung. Ziel ist die stetige Treibhausgasminderung bis hin zur Klimaneutralität spätestens im Jahr 2050. Sowohl eine Förderung als auch den dauerhaften Einsatz von nicht aus Erneuer-baren Energiequellen hergestellten Wasserstoff lehnen wir auch in den verbrauchsintensiven Sektoren ab. Als Grund- und Brennstoff ist er insbesondere für die Industrie, zum Beispiel die Chemie- und Stahlindustrie, sowie im Verkehrsbereich von großer Bedeutung. In der Stahlindustrie unterstützen wir beispielsweise einen Transformationspfad, der den Wechsel von Kohle über Gas zu Wasserstoff ermöglicht.

Im Verkehrsbereich können Wasserstoff und seine höheren, nachhaltigen Syntheseprodukte eingesetzt werden, um Brennstoffzellen zu betreiben oder zeitlich begrenzt als er-gänzende Maßnahme zum notwendigen Antriebswechsel im Bestand von Verbrennungsmotoren fossile Kraftstoffe zu verdrängen. Daraus ergibt sich erhebliches Klimaschutz- und Wertschöpfungspotential insbesondere für den Flugverkehr, für nicht-elektrifizierte Schienenstrecken, perspektivisch auch für die Schifffahrt und auch für den Bestand im Straßenverkehr. Bei den schweren Nutzfahrzeugen sowohl auf der Straße als auch der Schiene kommt der schnellen Verfügbarkeit von marktfähigen Brennstoffzellenantrieben eine wichtige Rolle zu. Zum Hochfahren des Marktes wollen wir erste Förderschwerpunkte bei Brennstoffzellenfahrzeugen im Straßen- und Schienengüterverkehr sowie bei den regionalen Bahnverkehren setzen. Durch die Mitverarbeitung von erneuerbarem Wasserstoff in den Raffinerien bei der Kraftstoffproduktion können zusätzlich Emissionen gemindert werden. Beim Einsatz von Wasserstoff im Luftverkehr streben wir eine ambitionierte, progressive Quote strom- u. biogenbasierter Synthesekraftstoffe an.

Auch im Gebäudebereich bietet der direkte Einsatz von Wasserstoff und ggf. auch von erneuerbaren synthetischen Brennstoffen insbesondere für Quartierskonzepte zusätzli-che CO2-Minderungspotentiale, etwa durch den Einsatz von Wasserstoff als Energie-speicher, in Brennstoffzellenheizungen, durch die Beimischung im Gasnetz und durch die Nutzung der Abwärme von Elektrolyseuren und Brennstoffzellen. Systemseitig kann Wasserstoff neben weiteren Speichern zudem als Langzeitspeicher die Energieversorgung mit Erneuerbaren Energien ganzjährig sichern. Auch diese Anwendungsfelder werden wir im Rahmen von infolge der Corona-Krise notwendigen Konjunkturimpulsen in den Mittelpunkt staatlicher Förderung stellen.

4. Kapazitätsaufbau international unterstützen.
Wir setzen zuallererst auf den Aufbau eines starken Heimatmarktes und der entsprechenden nationalen integrierten Wertschöpfungsketten. Um auch einen wettbewerbsfähigen europäischen Markt für Wasserstoff zu erreichen, müssen auch die Potenziale in den anderen europäischen Ländern strategisch gefördert und genutzt werden. Deutschland beabsichtigt im Rahmen der EU Ratspräsidentschaft diesen Prozess voranzutreiben und dabei auf eine enge Verzahnung mit dem europäischen Social Green Deal hinzuarbeiten. Um insbesondere die Kooperation mit nicht-EU-Staaten zu erleichtern, sollte eine Zukunftsstrategie für den Import von grünem Wasserstoff auf nationaler, aber auch auf europäischer Ebene unterstützt werden. Hier kommt es auch darauf an, ökologisch verträgliche Produktions- und faire Arbeitsbedingungen sicherzustellen. Gerade für die deut-schen Anlagenbauer ergeben sich dabei große Exportchancen, denn sie sind bei der Entwicklung und Anwendung verschiedener technologischer Möglichkeiten bislang führend. Für den Aufbau eines transparenten europäischen Wasserstoffmarktes ist zudem ein EU-weites Klassifizierungs- und Zertifizierungssystem mit Herkunftsnachweisen und Angaben zum CO2-Fußabdruck unerlässlich. Auch der Aufbau von größerskaligen Demonstrationsprojekten (Elektrolyseure über 100 MW) sollte europäisch angegangen wer-den, da es sich hier um ein typisches öffentliches Gut handelt: Das Hochskalieren wird von privaten und einzelnen Mitgliedstaaten eher zögerlich angegangen, weil hohe Anfangskosten aufgebracht werden müssen. Fortschritte in der Technologie und eine gut ausgebaute Wasserstoffinfrastruktur kommen aber durch ein weitgehend integriertes Wirtschafts- und Energiesystem allen zugute. Im Rahmen einer europäischen Wasserstoffstrategie könnten dazu gemeinsame Investitionsprogramme aufgelegt werden.

5. Forschung von den Grundlagen bis zur Anwendung besser koordinieren.
Die Forschung an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen wollen wir in einer von Bund und Ländern geförderten Forschungsinitiative koordinieren. Dabei soll die Grundlagenforschung ebenso gefördert werden, wie die schnelle koordinierte Entwicklung und Umsetzung von neuen Technologien für die Wasserstoffwirtschaft. Die Forschung zur Erzeugung und Weiterverarbeitung von Wasserstoff, zum Transport und zur Speicherung sowie zu seiner Verwendung sind dabei zentrale Dimensionen, um die Wasserstofftechnologie voranzubringen und ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Um die weitere Erforschung der Wasserstoff-Technologie auch europäisch zu koordinieren, können europäische Forschungsprogramme im Rahmen einer europäischen Wasserstoffstrategie einen wichtigen Beitrag leisten.

[ Das Eckpunktepapier kann hier als PDF heruntergeladen werden ]