Lesen Sie hier meine Haltung zur Abstimmung über Verhandlungen der Bundesregierung über die Gewährung von Finanzhilfen an Griechenland …

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

in der heutigen Debatte im Deutschen Bundestag beantragte das Bundesministerium der Finanzen die Zustimmung des Deutschen Bundestages zu einer Stabilitätshilfe für Griechenland und bat um das Mandat für die Aushandlung einer Vereinbarung, damit Griechenland kurzfristig Kredite in Anspruch nehmen kann. Darüber hinaus wurde um eine Brückenfinanzierung aus dem EU-Haushalt als Absicherung gebeten.

Was fehlt aus meiner Sicht? Zum einen die soziale Komponente und die soziale Gerechtigkeit. Zum anderen aber auch eine kritische Betrachtung der Rettungspolitik der vergangenen Jahre, die einseitig auf das Sparen in Griechenland gesetzt hat und dabei nicht nur massive soziale Verwerfungen hervorgebracht hat, sondern auch die Schuldentragfähigkeit und damit die ökonomische Entwicklung Griechenlands verschlechtert hat. Rettungspakete, die insbesondere nur untere und mittlere soziale Schichten hart treffen und die darüber hinaus kontraproduktiv für die wirtschaftliche Entwicklung sind, müssen nun der Vergangenheit angehören.

Die soziale Lage der Menschen in Griechenland, Arbeitslosigkeit, medizinische Versorgung und Altersarmut müssen wieder in den Mittelpunkt gerückt werden. Wir dürfen nicht eher zufrieden sein, bis die Suppenküchen geschlossen werden können. Das ist sozial geboten und auch ökonomisch klug.

Wir sprechen, nach dem 1. Programm und dem 2. Programm nun vom 3. Hilfsprogramm für Griechenland und fragen uns, ob wir damit nicht nur „mehr vom Falschen“ bekommen. Deshalb ist aus Sicht der Geldgeber kritisch anzumerken, dass die Austeritätspolitik (Rentenkürzungen, Lohnsenkungen, Beamtenentlassungen, Privatisierungen) der letzten fünf Jahre in Griechenland gescheitert ist. Dabei sind die „Geldgeber“ nicht selten auch die „Geldnehmer“. Von Beginn an waren die Hilfsprogramme an Griechenland einseitig darauf ausgerichtet, dass man von Gläubigerseite Hilfszahlungen gegen Strukturreformen tauschte. Im ersten Paket fehlte auch ein Schuldenschnitt, sodass private Gläubiger mit Steuergeldern gestützt wurden. Deshalb hat die SPD Fraktion dem ersten Hilfspaket auch nicht zugestimmt.

Diese Reformen waren zu einseitig auf die Kürzung von Arbeits- und Sozialmaßnahmen und zu wenig auf Investitionen ausgerichtet. Dies hat auch dazu geführt, dass die Arbeitslosigkeit zu den größten griechischen Problemen gehört. Mit 25 Prozent verzeichnet es die höchste Arbeitslosenquote der Europäischen Union. In der Eurozone liegt sie mit durchschnittlich 11 Prozent nicht einmal halb so hoch. Besonders betroffen sind Jugendliche: Jeder Zweite der 15- bis 24-jährigen Griechen ist arbeitslos gemeldet. Zudem hat Griechenland insgesamt Schulden in Höhe von rund 330 Milliarden Euro.

Griechenland benötigt dringender denn je Rahmenbedingungen für Investitionen, Wachstum und Binnennachfrage. Es ist offensichtlich, dass eine Fiskalpolitik, die nur Sparen im Sinn hat, längst an ihre Grenzen gestoßen ist. Jedenfalls können wir aus unseren Erfahrungen ableiten, dass eine echte Hilfe für Griechenland nur funktionieren kann, wenn neben der finanzpolitischen Lage, die soziale Situation der Menschen und die Strukturen der öffentlichen Verwaltung mit gleicher Kraft verbessert werden. Diese Erkenntnis ist einfach, die daraus zu ziehenden Konsequenzen jedoch äußerst kompliziert und komplex.

Die Folgen der Realisierung eines Grexit wären insbesondere für die Menschen in Griechenland verheerend. Dazu bekäme kein Gläubiger einen Euro mehr zurück, die Altschulden ständen weiterhin in Euro an, kein griechisches Unternehmen könnte Betriebs- und Investitionsmittel importieren, kein Krankenhaus könnte sich die teuren ausländischen Medikamente leisten, kein Arbeitsplatz würde geschaffen. Ausländische Konzerne könnten billig in Griechenland einkaufen. Jenseits dieser möglichen ökonomischen Folgen und dem Vertrauensverlust in den Euro, wäre insbesondere das Vertrauen in Europa dauerhaft zerstört – mit der Gefahr dass sich radikale und extreme Kräfte Europa bemächtigen. Daher müssen auch die Griechen mehr tun. Auch die griechische Regierung. Das fängt beim Aufbau einer funktionierenden Vollzugsverwaltung, z.B. der Steuerverwaltung an und hört bei einer Neuordnung des Bankenplatzes nicht auf. In Griechenland müssen endlich auch die starken Schultern zur Finanzierung des Gemeinwesens herangezogen werden.
Deutschland ist ein Land, das Strukturen besitzt, in denen Sozialreformen sowie Wachstums- und Konjunkturprogramme auch tatsächlich funktionieren können. Das ist in Griechenland nicht der Fall. Griechenland ist für Investitionsprogramme derzeit nicht ausreichend aufnahmefähig. Denn das weitgehende Fehlen von funktionierenden staatlichen Strukturen zerstört nicht nur die finanzielle Handlungsfähigkeit eines Staates, sondern es macht den Staat auch völlig unfähig, wirtschaftliches Wachstum zu fördern und soziale Sicherungssysteme aufzubauen. Das ist die Misere in Griechenland. Deshalb hilft es auch nicht, Griechenland nur Geld zur Verfügung zu stellen oder Schulden zu streichen. Ein Hilfsprogramm für Griechenland, das an klare Bedingungen geknüpft sein muss, ist der richtige Weg. Denn es geht im Kern um die Veränderung der politischen Strukturen des gesamten Landes.

Die Durchführung von ehrgeizigen Reformen des Rentensystems muss als sozialpolitische Maßnahme ergriffen werden. Überprüfungen und Modernisierungen im Arbeitsrecht dürfen jedoch nicht zu Massenentlassungen, Arbeitskämpfen oder zur Verhinderung von Tarifverhandlungen führen.

Doch das wichtigste Argument für die Bereitschaft, ein drittes Hilfspaket zu schnüren, ist unsere Mitmenschlichkeit. Das griechische Volk und seine Regierung bitten um Hilfe, weil Hilfe nötig ist. Diese Hilfe können wir aus sozialen, wirtschaftlichen und politischen Gründen nicht verweigern. Denn auch, wenn wir jetzt wieder Kredite und Bürgschaften vergeben: In Deutschland wird dadurch kein Kindergarten weniger gebaut, keine Straße weniger saniert und keine soziale oder kulturelle Einrichtung weniger gefördert. Aber wenn Europa nicht zusammen hält, wenn die Währungsunion instabil würde, dann allerdings wäre auch der Wohlstand und die soziale Sicherheit Deutschlands in Gefahr. Selbst Deutschland wird in der Welt des 21. Jahrhunderts nur noch eine Stimme haben, wenn es eine europäische Stimme wird.

Ich habe daher dem Antrag der Regierung auf Verhandlungen der Bundesregierung über die Gewährung von Finanzhilfen an die Hellenische Republik Griechenland zugestimmt, denn:
Es geht nicht nur um Griechenland, sondern es geht um dieses Europa, in dem Freiheit und Demokratie die Grundfesten unseres gemeinsamen Hauses sind, in dem die Menschen in Frieden mit ihren Nachbarn leben sollen.

Mit den besten Grüßen
Andreas Rimkus MdB