SPD-Chef Andreas Rimkus kommt mit dem E-Scooter zum Interview. Zur City-Maut geht er auf Distanz. Rheinbahn-Tickets sollten für Kinder und ältere Menschen am besten kostenfrei sein, findet der Bundestagsabgeordnete. Von Arne Lieb und Hendrik Gaasterland, 

Der Düsseldorfer SPD-Vorsitzende Andreas Rimkus befasst sich im Bundestag mit Verkehrspolitik – und hat auch privat Freude an neuer Mobilität: Zum Interview in unserer Redaktion kommt er mit dem E-Scooter. Es handelt sich nicht um eins der Eddy-Leihfahrzeuge der Stadtwerke, bei denen Rimkus seit 1979 als Elektromeister tätig ist. Er hat sich einen eigenen Scooter angeschafft – und führt während des Gesprächs begeistert vor, dass er den Akkustand und andere Daten per App auf dem Handy ablesen kann.

Herr Rimkus, Sie pendeln zwischen Düsseldorf und Berlin. Wie ist Ihre aktuelle Prognose: Wird es vor der Kommunalwahl noch eine Bundestagswahl geben?

Andreas Rimkus: Die Union lässt jedenfalls in Berlin nichts aus, um uns zu reizen. Die Nominierung von Ursula von der Leyen als Vorsitzende der EU-Kommission ist eine Katastrophe. Die Menschen haben sich doch bei der Europawahl anhand der Spitzenkandidaten ein Bild gemacht. Dass die CDU ihren Kandidaten Manfred Weber jetzt ausbremst und das Leyen-Spiel aufführt, ist eine Unverschämtheit.


Wären Sie persönlich froh, wenn die Groko platzt?

Rimkus: Ich war nie ein Fan der großen Koalition, das ist bekannt. Aber es wird bei der SPD keine Schnellschüsse geben. Wir werden Ende des Jahres die Inhalte bewerten. Und ein Austritt der SPD aus der Groko würde ja nicht gleichzeitig Neuwahlen bedeuten.


Die jüngsten Ergebnisse der SPD sind auch in Düsseldorf verheerend. Bei der Europawahl lag die SPD nur noch bei 15,2 Prozent. Lassen sich die Mitglieder überhaupt noch zum nächsten Wahlkampf motivieren?

Rimkus: Die 15 Prozent waren turbo-bitter, eine riesige Klatsche. Die Gründe liegen sicher in Berlin. Die CDU hatte ja auch große Verluste zu verzeichnen, sodass keiner mehr eine weitere Große Koalition anstrebt. Als Kreisvorsitzender muss ich meine Partei aufrichten und ausrichten, damit wir auch die Kraft haben, nach außen stark zu wirken. Man muss den Menschen sagen: Mit der SPD gibt es Fortschritt.


Welche realistische Perspektive hat die SPD für Düsseldorf 2020?

Rimkus: Sehr gute, weil wir erfolgreiche Arbeit für Düsseldorf machen. Die Europawahl war sicher bundespolitisch geprägt. Für die Kommunalwahl sehe ich die SPD auf einem sehr guten Weg. Wir haben in den letzten Jahren viel erreicht und stellen mit Thomas Geisel einen sehr guten Oberbürgermeister.


Welche Bedeutung hat Geisel als Amtsinhaber und bekanntestes Gesicht für den Wahlkampf?

Rimkus: Sicher eine große. Er macht einen tollen Job. Thomas Geisel ist progressiv, schont sich selbst nicht, ist bis tief in der Nacht für die Bürger anzusprechen und überall stark vernetzt. Ich habe ihn gebeten, nicht nur die OB-Kandidatur, sondern auch erneut die Spitzenkandidatur für die Kommunalwahl anzunehmen. Geisel hält die Stadt zusammen und macht deutlich, dass wir weltoffen bleiben und die Rechtsausleger, Rassisten und Antisemiten hier nicht haben wollen.


Muss die SPD grüner werden, um wieder mehr Wähler anzusprechen?

Rimkus: Das muss sie nicht, weil sie sozial und ökologisch ist. Die SPD macht aus, dass sie Soziales und Klimaschutz verbindet. Wir wollen mehr Umweltgerechtigkeit und die Kosten, die für den Umbau zu mehr Nachhaltigkeit entstehen, so verteilen, dass Menschen mit kleinem und mittlerem Einkommen nicht belastet, sondern entlastet werden. Ein kluger Vorschlag für einen CO2-Preis liegt ja auch auf dem Tisch.


Der Rat hat ambitionierte Ziele für den Klimaschutz gesetzt. Das wird große Umwälzungen bedeuten.

Rimkus: Ja. Wer noch in der alten Energiewelt unterwegs ist, dem müssen wir möglicherweise bald ein Angebot machen und ihm sagen: Mach dir keine Gedanken, wir brauchen dich. Vom Monteur bis zum Ingenieur werden wir alle benötigen, um diesen Wechsel zu schaffen. Deshalb sollten wir in der Elektromobilität nicht nur die Batterietechnik in den Blick nehmen, sondern insbesondere den Wasserstoff und die elektrischen Fuels. Das ist unsere Stärke: Die SPD kann Strukturwandel. Wir schauen mit offenem Visier in die Zukunft, wollen aber auch keinen zurücklassen, der dann möglicherweise wie in Frankreich in einer Gelbweste auftritt. Das wäre fatal.


Welche Themen werden den Wahlkampf noch bestimmen?

Rimkus: Wohnen und Verkehr werden die zentralen Punkte.


Die CDU denkt beim Wohnen über die „Grenzen des Wachstums“ nach. Sie sorgt sich, dass die Infrastruktur dem rasanten Bevölkerungswachstum nicht nachkommt und dass zu viele Grünflächen bebaut werden. Teilen Sie diese Sorgen?

Rimkus: Nein. Mir scheint, die CDU hat sich noch nie mit umweltschonendem Bauen beschäftigt. Wir müssen uns an den Realitäten orientieren. Die Menschen wollen in die Stadt und ich hätte keine Bedenken, darüber nachzudenken, neue Stadtteile zu bauen – auf dem Gelände der Bergischen Kaserne in Hubbelrath beispielsweise. Auch im Norden und Süden kann ich mir etwas vorstellen. Außerdem plädiere ich dafür, Verkehrsstrecken zu überbauen.


Wie stellen Sie sich das vor?

Rimkus: Mit überbauten Verkehrswegen könnten wir Funktionsflächen gewinnen, die zum einen Lärmschutz für Anwohner an belasteten Punkten schaffen und die zum anderen Grünflächen oder sogar Platz für Gewerbe bringen. Der Kennedydamm ist zum Beispiel eine breite Schneise, auch am Hauptbahnhof sehe ich Potenzial. Den Platz an solchen Verkehrsknoten sollte man doppelt und dreifach nutzen, Deckellösungen können eine Antwort sein.


Was will die SPD beim Verkehr?

Rimkus: Die Preise für die Rheinbahn-Tickets müssen niedriger werden. Für Kinder und ältere Menschen am besten kostenfrei. Wenn sich der VRR dabei nicht bewegt, müssen wir es halt selbst machen und ein Düsseldorf-Ticket einführen. Dann gibt es auch hier das 1-Euro-Ticket pro Tag wie in Wien. Wir brauchen außerdem emissionsfreie Busse und mehr Bahnen. Mit dem neuen Rheinbahn-Vorstand bin ich mir auch sicher, dass das gelingt.


Was sagen Sie zu einer City-Maut für Autos?

Rimkus: Wir müssen jetzt die Verkehrswende weiter nach vorne bringen. Mehr und sichere Radwege, schnellere und öfter fahrende Bahnen in der Stadt und auch bessere S-Bahn-Angebote für Pendler. Eine Debatte über eine City-Maut führe ich jetzt nicht, wir sollten jetzt die Ziele, die wir haben, schnell und spürbar umsetzen.


Die jüngsten Vorstandswahlen in der SPD verliefen nicht harmonisch. Sie wurden mit nur 78,3 Prozent der Stimmen in Ihrem Amt bestätigt. Wie bewerten Sie das Ergebnis?

Rimkus: Ich bin nicht verbittert darüber. Für mich sind fast 80 Prozent ein Auftrag, weiterzumachen. Wenn man nach den vorherigen Wahldesastern die Partei neu ausrichtet, dann ist das ein Prozess, bei dem man auch Leuten auf die Füße tritt. Man kann es nicht allen recht machen. Wir haben nach der verlorenen Landtagswahl im Mai 2017 einen langen Prozess zu einer Erneuerung gestartet. Es gab damals Entscheidungen zu treffen – und das bin ich: Ich bin debattenstark, meinungsstark und entscheidungsfreudig.


Die Frage ist, ob die SPD in der aktuellen Krise geeint für den Wahlkampf ist.

Rimkus: Da habe ich wirklich keine Sorge. Wir stehen zusammen und haben ein gemeinsames Ziel für Düsseldorf.

 

Hendrik Gaasterland und Arne Lieb führten das Gespräch für die Rheinische Post.
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