Parteichef Andreas Rimkus über die neue SPD-Rolle nach den Verlusten und den Job als Bundestagsabgeordneter. – Interview in der NRZ 20.10. – Von: Götz Middeldorf
Am Dienstag kommender Woche tritt der neue Bundestag zur konstuierenden Sitzung zusammen. Damit startet der Düsseldorfer SPD-Chef Andreas Rimkus (54) als Abgeordneter in seine zweite Legislaturperiode. Im Interview mit der NRZ spricht er über die neue Rolle der SPD nach den heftigen Wahlverlusten und seine Arbeit in Berlin.
Die ersten vier Jahre als Bundestagsabgeordneter gehörten Sie zu einer der Regierungsfraktionen. Nun sind Sie mit der SPD in der Opposition. Was bedeutet das für Ihre Arbeit? Können Sie nun klarer Stellung beziehen ohne Rücksicht auf einen großen Koaltionspartner zu nehmen?
Meine Arbeit als Abgeordneter wird natürlich gleich bleiben, zum Beispiel wenn es darum geht die Menschen in meinem Wahlkreis zu betreuen und Bundesgelder für wichtige Düsseldorfer Projekte zu mobilisieren. Als Oppositionsfraktion haben wir einen klaren Auftrag und eine neue Lage, die ich aktiv mitgestalten werde. Wir werden durch unsere Anträge und politischen Initiativen zeigen, für welche Zukunftsvision die SPD steht und wie sich die Gesellschaft entwickeln soll. Kern unserer Oppositionsarbeit wird sein, deutliche Kritik zu formulieren und klare Alternativen zum Handeln der zukünftigen Regierung anzubieten. Und ja, der Vorteil in der Opposition ist, wir können vieles an- und aussprechen, ohne notwendige Kompromisse mit einem konservativen Koalitionspartner abzuwägen oder zu beachten. Wir stehen auch in der Opposition für SPD pur und werden für ein soziales, demokratisches und modernes Land eintreten. Und natürlich wollen wir durch unsere Arbeit auch verloren gegangenes Vertrauen aufbauen. Die SPD muss und wird wieder stärker werden.
Kann man von Ihnen und der SPD nun eine Politik erwarten, die wirklich für die sozialdemokratsichen Wähler da ist? Oder anders: Hat die SPD aufgrund der massven Wahlverluste in NRW und im Bund verstanden, dass sie als Juniorpartner in einer großen Koaltion nicht punkten kann?
Meine Partei ist auf allen Ebenen, sowohl lokal in Düsseldorf, in NRW und im Bund gerade jetzt sehr aktiv und diskussionsfreudig um gemeinsam einen Prozess der Veränderung zu gestalten. Das finde ich sehr wichtig und auch genau richtig. Und am Ende wird ein verändertes und von der Basis gestaltetes, echtes sozialdemokratisches Politikangebot stehen. Auf dem Weg dahin wird es auch weh tun, wir gehen da einer kritischen Selbstanalyse nicht aus dem Weg. Die braucht aber Zeit und die nehmen wir uns jetzt auch. Wir werden uns strukturell, organisatorisch und gerade auch inhaltlich weiterentwickeln. Ich werde dies als Chef der SPD in Düsseldorf und als Mitglied der Organisationskommision der Bundes-SPD für die NRWSPD nach vorne treiben. Für die Demokratie ist es gut, wenn zwischen den großen Parteien die Unterschiede klar und deutlich sind und auch echte inhaltliche Debatten über die generelle Ausrichtung in den großen politischen Fragen wie Arbeitsmarkt, Soziales, Finanzen, Wirtschaft und Gleichberechtigung gibt. Die CDU ist im Kern nicht zukunftstauglich, sie ist gegen einen handlungsfähigen Staat und gegen Verbesserungen für hart arbeitende Menschen und Menschen, denen es heute wirtschaftlich nicht so gut geht. Deswegen ist es richtig zu erkennen, dass sozialdemokratische Politik idealerweise eben nicht mit der CDU zu machen ist.
War der Weg in die Opposition für die SPD im Bundestag richtig?
Das Wahlergebnis verstehen wir als Auftrag genau das zu tun: unserer staatspolitischen Verantwortung als Oppositionsführerin im Bundestag gerecht zu werden. Da geht es auch nicht um Zahlenspiele, was vielleicht doch noch rechnerisch möglich wäre, es geht uns um Verantwortung, die wir haben. Dazu zählt auch die harte Auseinandersetzung mit den Rechtspopulisten, die in den Bundestag gewählt worden sind. Wir werden uns im Parlament entschieden gegen die inhaltsleeren Rechtspopulisten, gegen Rassismus und Antisemitismus stellen und mit unseren eigenen Positionen und Angeboten überzeugen. Eine für Deutschland und Europa historisch so wichtige und erfolgreiche Partei wie die SPD muss eine Zukunft haben. Das ist im Interesse der Bundesrepublik Deutschland. Eine gute Zukunft wird die SPD aber nur haben, wenn wir uns jetzt im Bund in der Opposition neu aufstellen und regenerieren.
Bei der SPD hatte man oft den Eindruck, dass sie eher Politik für Konzerne macht statt für kleine Leute. Ich denke da an den VW-Skandal, bei dem sich der frühere Wirtschaftsminister Gabriel sich hinter den Konzern gestellt hat und nicht die geprellten Käufer. Ähnliches gilt für die Nachrüstaktion, bei denen sich Frau Hendricks nicht durchsetzen konnte. Und in Sachen Air Berlin stellte sich Wirtschaftsministerin Zypris sofort an die Seite von Lufthansa. Was soll diese Politik für die Wirtschaft?
Also: Wenn Sie mich zur Frage der Umverteilung von Reichtum und zur Steuergerechtigkeit befragen, habe ich eine klare Haltung. Großkonzerne müssen entschiedener daran gehindert werden, ihre Gewinne ins Ausland zu verlagern um der Steuerpflicht zu entgehen. Hier haben Merkel und Schäuble bisher versagt, sowohl innenpolitisch als auch in Europa. Aber auch die völlige Steuerfreistellung von Veräußerungsgewinnen bei Unternehmen unter der Ära Schröder war ein finanzpolitischer Fehler, durch den der Staat massiv Einnahmen verloren hat. Zum Diesel-Skandal kann ich nur sagen, dass SPD-Umweltministerin Hendricks diejenige ist, die auf Seiten der Verbraucher für wirksame Nachrüstungen der Autos und für echten Gesundheitsschutz eingetreten ist. Damit konnten wir uns aber eben nicht gegen die CDU/CSU durchsetzen. Ein weiteres Beispiel übrigens, warum es richtig ist, aus der Großen Koalition rauszugehen. Es geht uns als SPD nicht darum, Konzerne aus ideologischen Gründen schlecht zu reden. Gerade nicht solche Konzerne, die gut bezahlte Arbeitsplätze mit guter betrieblicher und gewerkschaftlicher Mitbestimmung vorweisen. Diese Arbeitsplätze möchte ich als Sozialdemokrat sichern. Deswegen müssen sich die Konzern-Spitzen bei VW aber auch bei den anderen deutschen Hersteller endlich damit befassen, wie ihre Unternehmen eine gute Zukunft haben, etwa in dem endlich stärker in moderne und übrigens auch ethisch vertretbare Produkte investiert wird. Die Betriebsräte in diesen Firmen machen dazu übrigens sehr oft gute Vorschläge, auf sie und auf die Wissenschaft sollten Konzern-Manager öfter hören als auf Broker an der Börse. Es wird oft gesagt, dass die SPD auch ökonomisch kompetent sein muss. Und das ist richtig, aber das heißt eben auch, eine eigene sozialdemokratische Erzählung von Wirtschaft zu haben. Eine Wirtschaftspolitik, die nur etwas milder und sozialer als die von CDU und FDP ist, ist nicht die Antwort. Ich bin für eine offensive linke Wirtschaftspolitik, und das bedeutet eben, eine Wirtschaftspolitik, die sich an den Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und an der Kaufkraft der vielen Menschen in unserem Land orientiert. So etwas schafft gute Arbeitsplätze, mehr Investitionen und somit auch mehr Wohlstand und Gerechtigkeit. Und zu Air Berlin: Ich habe mich z.B. sehr klar zur Air Berlin Technik geäußert und mit den verantwortlichen Managern und den Betriebsräten viele Gespräche geführt. Das mache ich aus vollem Herzen. Ich hoffe sehr, daß ich dazu beitragen konnte den Technikbetrieb als Ganzes zu erhalten. Ist für die Kolleginnen und Kollegen, aber auch für Düsseldorf gut.
Warum hat die SPD Probleme mit einer Zusammenarbeit mit der Links-Partei?
Die Frage muss man doch umkehren: Warum bleibt die Linke bei ihrer ausgeprägten Anti-SPD-Haltung? Für mich ist das Glas immer halb voll, aber der Inhalt muss auch stimmen, damit es mir schmeckt. Kurzgesagt: Wenn es von der Linken ein tragfähiges Angebot gibt, dann schaue ich mir das aufmerksam und sehr interessiert an, warum auch nicht? Unsere SPD-Position dazu ist klar: Wenn die Linke den Willen und die Bereitschaft zu gemeinsamer Regierungsverantwortung deutlich zeigt, werden wir das erstmal positiv quittieren. Für die Zusammenarbeit in der Opposition gilt da ähnliches, nämlich die Bereitschaft jetzt ohne die übliche SPD-kritisierende Rhetorik im Parlament zu arbeiten und die schwarze Ampel (Schwampel) inhaltlich zu stellen. Und wenn dann das Vertrauen auf beiden Seiten wächst, kann man über die nächsten Schritte nachdenken.
Wie ist Ihr Verhältnis zu Sahra Wagenknecht, der Düsseldorfer Bundestagsabgeordneten der Linke?
Gut. Wir pflegen einen freundlichen und kollegialen Umgang wenn wir uns im Parlament in Berlin begegnen. In Düsseldorf sehen wir uns nur äußerst selten, da Frau Wagenknecht ja nicht oft in ihrem Wahlkreis anzutreffen ist.
Und wie ist das verhältnis zu den CDU-Abgeordneten Pantel und Jarzombek? Gibt es da in Berlin regelmäßige Kontakte oder im positiven Sinne gar eine „Düsseldorf Connection“?
Als Rheinländer verstehen wir uns, können uns gegenseitig konstruktiv und offen die Meinung sagen. Als stellv. Sprecher der SPD-Fraktion für Verkehrspolitik habe ich wichtige Anliegen im Verkehrsausschuss für Düsseldorf federführend bearbeitet. Dabei habe ich mich mit Sylvia Pantel und Thomas Jarzombek, der ja auch im Ausschuss sitzt, auch regelmäßig ausgetauscht. Was nützt wird gemacht, ist doch klar.
Wo sehen Sie die Bundes-SPD in vier Jahren?
Wenn wir jetzt den Erneuerungsprozess gut und durchdacht angehen, dann haben wir ein deutlich besseres Wahlergebnis als jetzt im September. Und vor allem: ich sehe uns gut gestärkt, lebendig und diskussionsfreudig und mit einem überzeugenden inhaltlichen Angebot durch den Erneuerungsprozess, den jetzt alle Mitglieder gemeinsam voranbringen. Ich glaube, die SPD hat eine gute Zukunft vor sich, weil die Herausforderungen, vor denen Deutschland, Europa und die Welt stehen, ein „Weiter so“ als nicht tragfähig erscheinen lassen. Und das bedeutet: Es braucht sozialdemokratische Antworten für die Gestaltung der Zukunft. Daran arbeiten wir gemeinsam.