Das am Freitag vorgestellte Klimaschutzprogramm der Bundesregierung wird kontrovers diskutiert, sowohl in der Öffentlichkeit, der Wissenschaft als auch innerhalb meiner Partei. Ich möchte daher an dieser Stelle meine Sicht der Dinge darlegen und  auf einige Aspekte hinweisen, die meines Erachtens mehr Aufmerksamkeit verdienen und die auch sehr konkret mit meinen fachpolitischen Schwerpunktthemen im Ausschuss für Wirtschaft und Energie zusammenhängen.

Vielen Menschen geht das Programm der Regierung nicht weit genug, einige sehen uns auf dem völlig falschen Weg.  Nicht selten bleiben die Kritiker*innen dabei aber auch ein Stück weit unkonkret oder oberflächlich, wenn sie beispielsweise einen „wirkungsvollen“ CO2-Preis fordern, der eine „Lenkungswirkung“ entfalten soll. Was würde das konkret für Millionen Menschen mit wenig Geld bedeuten? Wer Klimaschutz ausschließlich über den Preis von CO2 erreichen will, sorgt dafür, dass vor allem Menschen mit kleinem Einkommen ihr Verhalten ändern und Verzicht üben müssen, solange sie keine klimaneutralen und bezahlbaren Alternativen haben. Sie können sich nicht mal eben ein neues Auto oder eine moderne Heizung kaufen. Gleichwohl ist es natürlich absolut notwendig und richtig, Klimaschäden einen Preis zu geben und auch ich hätte mir einen Einstieg damit schon im kommenden Jahr gewünscht, durchaus auch mit höheren CO2-Preisen und einer gleichzeitig damit verbundenen ökonomischen Umverteilung zu Gunsten der breiten Bevölkerungsschichten. Das ist mit den momentanen politischen Mehrheiten aber nicht möglich.

Die von der Regierung vorgelegten Eckpunkte für ein Klimaschutzprogramm sind bei aller berechtigten Kritik das größte und umfassendste Klimaschutzpaket, das regierungsseitig in Deutschland jemals beschlossen wurde. Damit ist auf der einen Seite natürlich auch der Grad der Untätigkeit in der Vergangenheit vermessen, aber auf der anderen Seite ist die Zeit politisch nie so günstig wie jetzt gewesen, um zu realen Veränderungen und Fortschritten zu kommen. Die Eckpunkte der Regierung machen die Klimaziele verbindlich, stärken den Wirtschaftsstandort und sorgen dafür, dass es dabei sozial gerecht zugeht. Nur die SPD steht für diesen sozialen, ökologischen und ökonomischen Dreiklang in der Klima- und Umweltpolitik. Denn Klimapolitik ist immer auch Gesellschaftspolitik.

Klar ist in einer parlamentarischen Demokratie auch: Gesetzeskraft bekommt ein Konzept nur, wenn es vom Deutschen Bundestag beschlossen wurde. Jetzt beginnt daher die parlamentarische Arbeit bei der konkreten Ausgestaltung und inhaltlichen Ausformulierung der von der Regierung vorgelegten Eckpunkte und Entwürfe. Ich werde mich dabei mit voller Kraft einbringen, um das, was ich auch schon in meinem programmatischen Papier zur „Roten Energiewende“ entwickelt habe, auf parlamentarischen Wege in das Klimaschutzprogramm der Koalition einzuspeisen.

Wenn es nach der SPD alleine gegangen wäre, sähe das Klimaschutzprogramm der Regierung anders aus. Auch die konservativ-liberale Landesregierung in NRW war und ist nicht hilfreich, da NRW gerade den Ausbau der Windenergie verschläft und am liebsten ausbremsen will. Die Laschet-Regierung schadet auch damit unserem Land. In den nächsten Monaten und für die Zukunft gilt, dass wir gemeinsam mit Umweltverbänden, Gewerkschaften und auch mit der Fridays-for-Future-Bewegung für Verbesserungen kämpfen müssen.

Mit einer Vielzahl an Maßnahmen in allen Bereichen der Gesellschaft im Umfang von über 50 Milliarden Euro können wir aber schon jetzt den so wichtigen Klimaschutz und die Energiewende ein großes Stück voranbringen. Die Eckpunkte der Regierung sind wie erwähnt ein Kompromiss mit unserem momentanen Koalitionspartner im Bund, aber dennoch haben wir jetzt einen Weg vorgezeichnet, wie wir ökologische Verantwortung, ökonomische Dynamik und sozialen Ausgleich zusammenbringen und die Energiewende zu einer erfolgreichen sozial-ökologischen Transformationsgeschichte machen können.

Mit den vorgestellten Anreizen, Förderungen und Entlastungen wie zum Beispiel beim Bahnverkehr, bei der Elektromobilität, beim regionalen Windkraftausbau und mit der Senkung der Stromkosten eröffnen wir nun die Möglichkeit für möglichst viele Bürgerinnen und Bürger, an der Energiewende teilzuhaben und kompensieren Mehrbelastungen, die an anderer Stelle beispielsweise durch den Einstieg in eine CO2-Bepreisung entstehen. Selbige wird in Verbindung mit dem verstärkten Ausbau der erneuerbaren Energien und der Abschaffung des Ausbaudeckels für Solarenergie den Grundstein legen für das Erreichen der Klimaschutzziele in 2030.

Im Verkehrssektor wird die Schiene als Motor einer Mobilitätswende gestärkt. Die Deutsche Bahn wird in den kommenden zehn Jahren zusätzlich mit 10 Milliarden Euro Eigenkapital unterstützt. Das ist eine deutliche Abkehr von den wirtschaftsliberalen Privatisierungsideologien der letzten 20 Jahre und ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Mobilität als Element der öffentlichen Daseinsvorsorge. Durch die deutliche Absenkung der Mehrwertsteuer für Bahntickets wird es erste Preisanreize geben, während der unfaire Wettbewerb mit dem Luftverkehr bekämpft wird und Dumpingpreise beim Fliegen politisch angegangen werden. Außerdem erhöhen wir die Maut für Lkws, die viel CO2 ausstoßen.

Besonders wichtig ist mit persönlich auch, dass die Sektorkopplung im Allgemeinen, und die Wasserstofftechnologie im Besonderen, nunmehr endlich eine angemessenere Berücksichtigung finden. Die verstärkte Berücksichtigung von regenerativ erzeugtem Wasserstoff und daraus hergestellten synthetischen Brenn- und Kraftstoffen in allen Verkehrsbereichen kann der dringend benötigten Wasserstoffwirtschaft zu einem deutlichen Vorschub verhelfen und enorme Wertschöpfungspotentiale freisetzen, während wir zugleich die bisherige Stromwende mehr und mehr in eine echte Energiewende verwandeln. Wichtig ist es jetzt allerdings, dass wir den Markthochlauf und die Verbreitung dieser Technologie mit der angekündigten Wasserstoffstrategie ambitioniert, konkret und kurzfristig nach vorne katapultieren. Daran möchte und werde ich arbeiten. Auch bei uns in Düsseldorf ist schon erkennbar, welche Potentiale das Thema Wasserstoff für eine innovative und ökologische Politik hat. Gemeinsam mit der Rheinbahn arbeiten wir daran, dass Düsseldorf eine komplett emissionsfreie Buslinie mit Wasserstoffbussen bekommt und die Stadt Düsseldorf bewirbt sich zusammen mit Wuppertal und dem Rhein-Kreis-Neuss darum, NRW-Modellregion für Wasserstoffmobilität zu werden. Auch in der Düsseldorfer Energie- und Abfallwirtschaft gibt es bereits konkrete Projekte und Ideen, sauberen Wasserstoff einzusetzen. Ich möchte mit und in der Sozialdemokratie konkrete Antworten geben, wie wir Ziele erreichen, und nicht nur Fragen stellen oder Ziele beschreiben, ohne eine Lösung für die konkrete Zielerreichung zu haben. Dafür steht meine „Rote Energiewende“.

Was auch wichtig und wirklich neu ist: Mit dem Klimaschutzgesetz schaffen wir erstmals den gesetzlich verbindlichen Rahmen, wonach jedes Regierungsressort seine jährlichen Reduzierungsziele belegen – und bei Verfehlung nachsteuern muss. Das Klimakabinett wird jetzt dauerhaft eingerichtet und erhält die Aufgabe, jährlich die Wirksamkeit, Effizienz und Zielgenauigkeit der Maßnahmen der Ministerien zu überprüfen und für die Einhaltung zu sorgen. Erfüllt ein Sektor sein gesetzlich vorgesehenes Ziel nicht, muss das zuständige Ressort dem Klimakabinett innerhalb von drei Monaten ein Sofortprogramm zur Nachsteuerung vorlegen. Das Klimaschutzgesetz verpflichtet auch künftig jede Bundesregierung, kontinuierlich die Einhaltung der Klimaziele zu überprüfen und, wenn nötig, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen. Solche Aspekte haben Würdigung und Unterstützung verdient.

Ich möchte  – bei Bedarf – zur vertiefenden Lektüre gerne noch ein Schreiben meiner geschätzten Kollegen Matthias Miersch und Sören Bartol zur Verfügung stellen. Matthias und Sören haben in den vergangenen Wochen für die SPD-Bundestagsfraktion an den Verhandlungen zum Klimaschutzprogramm der Koalition teilgenommen und als stellvertretende Fraktionsvorsitzende und überzeugte sowie kompetente Fachpolitiker für progressive Ergebnisse gekämpft. Den Ausführungen und inhaltlichen Bewertungen der beiden kann ich mich weitgehend anschließen, weswegen ich den Brief gerne weiter empfehlen möchte.

 

Brief von Sören Bartol und Matthias Miersch zum Klimapaket [PDF Download]

Eckpunkte der Bundesregierung für das Klimaschutzprogramm 2030 [PDF Download]