Lesen Sie hier meine Haltung zum derzeit diskutierten transatlantischen Freihandelsabkommen…

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

haben Sie vielen Dank für Ihre zahlreichen E-Mails zu dem geplanten transatlantischen Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit den USA, kurz TTIP.

Sie haben Bedenken in Bezug auf dieses Abkommen geäußert. Zunächst möchte ich Ihnen ganz persönlich versichern, dass ich Ihre kritischen Anmerkungen zu den laufenden TTIP-Verhandlungen nachvollziehen kann. Sehr gerne nehme ich daher Stellung zu Ihrer Anfrage.

Die SPD hat immer klar gemacht, dass wir die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger bezüglich der geplanten Freihandelsabkommen ernst nehmen. Wir als Sozialdemokratie sehen ebenfalls Risiken in den Abkommen, aber durchaus auch Chancen. Beispielweise möchten wir, dass die USA sich vollumfänglich mit den Normen und Zielen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) einverstanden erklärt. Dies wäre ein wichtiger Beitrag für die globale Humanisierung der Arbeitswelt.

Aus historischer und politischer Perspektive betrachtet ist es unbestritten, dass völkerrechtliche Verträge der Europäischen Union mit Drittstaaten insbesondere in der Handelspolitik nichts Ungewöhnliches sind. Über durchaus vorhandene Auffassungsunterschiede zwischen der EU und den USA, zum Beispiel auch im Bereich der Lebensmittelstandards in Bezug auf die Gentechnik, bin ich mir bewusst. Auch die Verhandlungsführer der Europäischen Union sind sich der Unterschiede und Gefahren diesbezüglich im Klaren. Die Bundesregierung – und hier insbesondere unser Vizekanzler Sigmar Gabriel -, ist durch die Beratungen im Handelspolitischen Ausschuss wöchentlich  über den Verhandlungsstand informiert und kann in diesen und anderen für die Bevölkerung sensiblen Diskussionsprozessen ihre Position konstruktiv einbringen und tut dies auch nach Kräften.

Die TTIP-Verhandlungsführer auf Seiten der Europäischen Kommission haben in keiner Weise die Freiheit und die Kompetenz, sich über europäische Standards hinwegzusetzen oder diese zu untergraben. Denn die EU-Verhandlungsführer sind politisch und juristisch beschränkt durch das Mandat, welches die europäischen Mitgliedstaaten im Rat der Europäischen Kommission einstimmig erteilt haben. Um die Bindungswirkung eines völkerrechtlichen Vertrags der Europäischen Union im Umfang des angestrebten TTIP-Abkommens zu rechtfertigen und zu entfalten, vertritt die SPD-Bundestagsfraktion die Auffassung, dass TTIP für ein Inkrafttreten vorab durch den Bundestag und den Bundesrat ratifiziert werden muss. Nach meiner Kenntnis vertreten auch die Bundesregierung sowie alle anderen Regierungen der EU diese Ansicht.

Um in Zukunft Vorschriften und Regeln und deren Auswirkungen auf beiden Seiten des Atlantiks besser abzustimmen, soll es einen transparenteren Informationsaustausch zwischen Regulierern beider Seiten geben. Auch für die Zivilgesellschaft ist eine wesentlich aktivere Rolle und Mitbestimmung vorgesehen. Hierauf haben die SPD-Bundestagsfraktion und die SPD-Mitglieder der Bundesregierung besonderen Wert gelegt.

Die SPD hat zudem am 20. September 2014 einen Beschluss gefasst, der auf einem gemeinsamen Papier mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund DGB beruht. Der Beschluss ist hier online abrufbar. In diesem SPD-Beschluss wird unsere Kritik am Investor-Staat-Schiedsverfahren bekräftigt. Investitionsschutzvorschriften sind in einem Abkommen zwischen den USA und der EU grundsätzlich nicht erforderlich und sollten weder mit TTIP noch mit dem Freihandelsabkommen der EU mit Kanada (CETA) eingeführt werden.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben mit diesem Beschluss unsere Position deutlich gemacht: Damit sich die Chancen des transatlantischen Freihandelsabkommens für eine exportorientierte Volkswirtschaft wie Deutschland realisieren, müssen die Verhandlungen innerhalb fester Leitplanken erfolgen. Die Förderung des Austausches von Waren und Dienstleistungen bietet Chancen für die Schaffung von globalem aber auch gerechter verteiltem Wohlstand in der Welt. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen den Welthandel nicht den Märkten und Unternehmensinteressen überlassen, sondern wir setzen uns für eine politische Gestaltung des Welthandels und der Globalisierung ein. Konkret bedeutet das: Wir werden die hohe Qualität der Daseinsvorsorge in Deutschland und die hohen europäischen Standards für den Umwelt-, Arbeits- und Verbraucherschutz und die Förderung der Kultur nicht in Frage stellen. Darauf können sich die Bürgerinnen und Bürger verlassen. Und mehr noch: Die SPD will im Rahmen ihrer Entwicklungs- und Handelspolitik erreichen, dass sich zukünftig weitere Regionen und Länder in der Welt an den hohen Sozial-, Arbeitsschutz- und Umweltstandards orientieren.

Nach meinem Wissen sind die TTIP-Verhandlungen in Bezug auf die von Ihnen angesprochenen Schiedsgerichte im Zusammenhang mit dem Investor-Staat-Schiedsverfahren noch nicht weit fortgeschritten. Im Rahmen einer groß angelegten Bürgerbeteiligung durch die Europäische Kommission werden in Kürze Reformvorschläge vorgelegt, welche die Regulierungsfreiheit der nationalen Gesetzgeber weiter stärken und  die Transparenz der Verfahren verbessern sollen. Diese Vorschläge werden anschließend im Einzelnen von uns genau geprüft, um sicherzustellen, dass diese unseren politischen Maßstäben und Leitplanken entsprechen.

Zudem darf der Schutz von Investoren nicht dazu führen, dass demokratisch legitimierte Regelungen im Sinne des Gemeinwohls ausgehöhlt werden. Entscheidend ist, dass die weiteren Verhandlungen zu CETA und TTIP transparent sind. Nur dann ist es möglich, die Ziele und Möglichkeiten des Abkommens am Ende unvoreingenommen zu bewerten. Handelsabkommen können dazu beitragen, weltweit einen besseren Arbeitnehmerschutz und nachhaltiges Wirtschaften voranzutreiben. Die Bundes-SPD spricht sich deshalb gemeinsam mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund dafür aus, die Verhandlungen über TTIP fortzuführen. Auch die Düsseldorfer SPD hat sich zwischenzeitlich sehr intensiv mit TTIP befasst und dazu sehr intensiv debattiert. Im Kern fordert die SPD Düsseldorf ein anderes, verändertes Mandat und den Ausstieg aus der geplanten Schiedsgerichtsbarkeit. Ich bin sicher: Diese Debatten beleben die demokratische und politische Kultur in unserem Land und daher bedanke ich mich bei allen Bürgerinnen und Bürger, die sich mit TTIP und der Gestaltung einer gerechten Globalisierung beschäftigen.

Hinweisen möchte ich in diesem Zusammenhang auf einen auch von SPD-Chef Sigmar Gabriel erarbeiteten Vorschlag der sozialistischen und sozialdemokratischen Partei- und Regierungschefs auf der europäischen Konferenz in Madrid vom 21. Februar 2015. Dort wurde eine Fortentwicklung der Schiedsgerichte hin zu einem staatlichen Handelsgerichtshof empfohlen. Dieser Vorschlag wurde von der Europäischen Kommission positiv aufgenommen und hat in der SPD-Bundestagsfraktion sowie im Europäischen Parlament und in der Öffentlichkeit eine lebhafte Diskussion ausgelöst. In diesem Sinne erwarte ich, dass das bisher weitgehend im Geheimen verhandelte Instrument der Investor-Staat-Schiedsverfahren anlässlich der TTIP-Verhandlungen einen längst überfälligen Reformschub erhält, der die Klagerisiken bei neuen Gesetzen deutlich eindämmt und den Investitionsschutz tatsächlich auf eine rechtstaatliche und demokratisch einwandfreie Basis stellt. Auch von konkreten Fortschritten in diesem Bereich mache ich mein Abstimmungsverhalten zu TTIP im Deutschen Bundestag im Falle einer Parlamentsbeteiligung abhängig.

Es ist eindeutig, dass es für Verbraucher wichtig ist zu wissen, und auch hierauf können Sie sich verlassen, dass die EU keines ihrer grundlegenden Gesetze zum Schutz von Menschen, Tieren oder Umwelt aufheben oder im Niveau absenken wird. Vielmehr geht es darum, unterschiedliche Normen und Zulassungsverfahren überall dort anzunähern, wo sich ohne (!) Abstriche beim Verbraucherschutz bürokratische und technische Hemmnisse reduzieren lassen. Dies ist möglich und wünschenswert.

In diesem Sinne begleite ich den laufenden Verhandlungsprozess zwischen der Europäischen Kommission und den USA über TTIP weiterhin sehr aufmerksam und sehr kritisch – gemeinsam mit meinen sozialdemokratischen Parteifreundinnen und -freunden im Bundestag und im Europäischen Parlament. Dies gilt ebenso für CETA.

Auch unser Justizminister Heiko Maas (SPD) kämpft gegen die Schiedsgerichte und hat seine EU-Amtskolleginnen und -kollegen aufgefordert, sich gegen geheime Schiedsgerichte in dem transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP einzusetzen.

Mit der Veröffentlichung des TTIP-Verhandlungsmandats durch die Europäische Kommission ist in den letzten Monaten bereits eine wichtige Forderung der SPD erfüllt worden. Seit Beginn der Verhandlungen haben wir gefordert, dass diese transparent geführt werden. Die Entscheidung der Europäischen Kommission und der anderen europäischen Mitgliedstaaten, das Verhandlungsmandat nun zu veröffentlichen, ist daher ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung hin zu einem offeneren gesamteuropäischen Vorgehen bei diesen Verhandlungen. Die SPD und der Druck zehntausender Bürgerinnen und Bürger haben dies möglich gemacht. Den aktuellen Verhandlungsstand nebst Dokumenten finden Sie auf den Seiten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie unter www.bmwi.de.

Es wird nun noch mindestens ein Jahr lang Verhandlungsprozesse auf europäischer und auf nationaler Ebene geben. Der fertige Verhandlungstext des Abkommens wird derzeit auf EU-Ebene überarbeitet. Das SPD-geführte Bundeswirtschaftsministerium bringt in Rat der Handelsminister der EU wie oben beschrieben insbesondere Änderungsvorschläge zu den Schiedsgerichtsverfahren im Rahmen des Investorenschutzes ein.

Der Rat, in dem die nationalen Regierungen vertreten sind, und das Europäische Parlament werden frühestens Ende 2015, eher Anfang/Mitte 2016 über das Abkommen entscheiden. Danach folgt nach meiner Einschätzung die demokratietheoretisch zwingende und notwendige Beteiligung der nationalen Parlamente. Erst dann könnte das Abkommen frühestens in Kraft treten. Bis dahin wird der europäische Gerichtshof auch festgestellt haben, ob die nationalen Parlamente aller 28 Mitgliedstaaten das Abkommen ratifizieren müssen. Dann bekäme – und dies fordern wir ein- der Deutsche Bundestag das letzte Wort in Sachen TTIP.

Das würde voraussichtlich erst 2017 der Fall sein. Wenn auch nur ein nationales Parlament in Europa das Abkommen ablehnt, kommt es nicht zustande. Deshalb sehe ich große Chancen für die jetzige auch von der SPD angestoßene politische Strategie, in einer koordinierten und korporativen Aktion mit den anderen EU-Mitgliedsstaaten, die dem Investitionsschutzkapitel ebenfalls ablehnend gegenüberstehen, weitreichende und für die europäische Bevölkerung positive Veränderungen zu erreichen.

In den anstehenden weiteren Verhandlungen wird sich die SPD für die Durchsetzung der beschlossenen Ziele einsetzen und auch gegenüber unseren europäischen Partnern dafür werben. Das machen auch unsere sozialdemokratischen Abgeordneten im Europäischen Parlament im Rahmen der dortigen Verhandlungen.

Bei uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wird sich zudem abschließend auch noch ein Parteitag bzw. ein Parteikonvent mit der Fragestellung und endgültigen parteiinternen Willensbildung befassen, die in einem basisdemokratischen Beschluss münden wird.

Sie sehen: Wir befinden uns noch mitten in einem intensiven Willensbildungsprozess, noch sind keine endgültigen Entscheidungen getroffen. Ich nehme die Sorgen und Ängste der Bürgerinnen und Bürger sehr ernst und messe ihnen größte Bedeutung für meine politische Meinungsfindung bei.

Mit den besten Grüßen
Andreas Rimkus MdB

 

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