Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Düsseldorferinnen und Düsseldorfer,
mich haben in der vergangenen Woche und in den letzten Tagen sehr viele Schreiben und E-Mails von Menschen aus meinem Düsseldorfer Wahlkreis zu den Änderungen des Infektionsschutzgesetzes und der damit verbundenen bundeseinheitlichen Notbremse erreicht. Gerne nehme ich dies zum Anlass, meine Sicht auf die Dinge und meine Beweggründe für mein Abstimmungsverhalten als Abgeordneter darzulegen und auch auf die Kompromisse und Ergänzungen einzugehen, die der Deutsche Bundestag in der parlamentarischen Beratung des Gesetzes erreicht und jetzt beschlossen hat.
Für mich ist klar: Bei besonders hohen Infektionszahlen bedarf es zum jetzigen Zeitpunkt der Pandemie eindeutiger und bundeseinheitlicher Regelungen für Regionen mit hohen Corona-Fallzahlen, die für alle einfach nachvollziehbar sind und einen schnellen Dämpfungseffekt auf das Infektionsgeschehen haben. Überall dort, wo es hohe Fallzahlen gibt, müssen diese Regeln gelten.
Die Einschnitte tun uns allen weh, aber auch wenn man es kaum noch hören mag: Auch in der dritten Welle der Corona-Krise müssen wir zusammenhalten und solidarisch sein. Wir wollen verhindern, dass erneut viele tausend Menschen in unserem Land an Corona erkranken und lange an den Folgen leiden oder sogar versterben. Seit einem Jahr arbeitet das medizinische Personal in Krankenhäusern und Arztpraxen hart und teilweise über lange Strecken an der absoluten Belastungsgrenze, damit wir diese Krise gut überstehen. Wir tun alles, um die Menschen zu unterstützen, die im Kampf gegen die Pandemie an vorderster Front stehen. Deshalb haben wir als SPD schon vor einigen Wochen durch entsprechenden Druck in der Regierung und auf Gesundheitsminister Spahn dafür gesorgt, dass wir viele zusätzliche Impfdosen bekommen und sie auch verimpfen. Derzeit werden etwa sechs Menschen pro Sekunde geimpft – Tendenz steigend.
In Anbetracht der steigenden Infektionszahlen trifft den Staat meines Erachtens eine Schutzpflicht und damit verbunden einen entsprechenden Handlungsauftrag. Eine Überlastung des Gesundheitssystems muss verhindert werden, damit eine medizinische Versorgung der Bürgerinnen und Bürger weiterhin gewährleistet werden kann. Der Bundesgesetzgeber kann durch sein Eingreifen verhindern, dass viele Tausende Menschen an COVID19 erkranken und an den Folgen sterben oder lange Zeit leiden. Dieser politischen Verantwortung in einer sehr ernsten und konkreten Lage möchte ich gerecht werden.
Alle wissen: Der Weg raus aus der Pandemie führt über die Impfungen. Wenn dazu in den nächsten Monaten Millionen von Menschen in den Impfzentren und bei Haus- und Betriebsärzten geimpft werden, wird dies zu einem massiven Rückgang der Neuinfektionen führen. Zum jetzigen Zeitpunkt reichen die Impfungen jedoch leider noch immer nicht aus, um das Pandemiegeschehen wirksam zu kontrollieren und einzudämmen. Dies ist aber notwendig, um die vielen Ungeimpften vor einer Ansteckung zu schützen, aber auch um das Risiko für Virus-Mutationen zu verhindern, die den Erfolg der Impfkampagne gefährden könnten. Die Impfkampagne muss darum für einen kurzen Zeitraum ergänzt werden durch weitere Schutzmaßnahmen, die nun – befristet bis zum 30. Juni 2021 – für besonders hohes Infektionsgeschehen vom Parlament gebilligt wurden.
Ich bin mir bewusst, dass die Einschränkungen, die wir nun im Infektionsschutzgesetz vereinbart haben, nach den langen und schwierigen Monaten in der Pandemie für alle betroffenen Menschen in Deutschland eine weitere Belastung darstellen. Doch sie sind notwendig, um die Gesundheit von uns allen bestmöglich zu schützen und den Erfolg der Impfkampagne abzusichern.
Ich habe daher der Änderung des Infektionsschutzgesetzes zugestimmt. Ich konnte auch deswegen zustimmen, weil es im Rahmen der parlamentarischen Beratungen und den Verhandlungen in der Koalition in den vergangenen Tagen zu guten Kompromissen und sachgerechten Ergänzungen im Vergleich zu der ursprünglichen regierungsseitigen Fassung des Gesetzesentwurfes und den geplanten Maßnahmen gekommen ist.
Auf diese Verbesserungen und Kompromisse möchte ich gerne kurz eingehen.
Unabhängig vom Inzidenzwert nehmen wir die Unternehmen beim Thema Arbeitsschutz stärker in die Pflicht. Es kann nicht sein, dass das private und gesellschaftliche Leben eingeschränkt wird, aber Betriebe und Unternehmen vergleichsweise wenig Auflagen haben. Denn auch am Arbeitsplatz gilt, dass wir Kontakte so weit wie möglich und spürbar reduzieren müssen. Wir schreiben daher Homeoffice, wo es möglich ist, noch verbindlicher und klarer als bisher vor. Wir verpflichten die Arbeitgeber nun außerdem, den Beschäftigten mindestens zweimal pro Woche einen Corona-Test anzubieten, wenn das Homeoffice objektiv nicht durchführbar ist.
Bei der Verschärfung der Kontaktbeschränkung ist es mir und meiner Fraktion wichtig, das Prinzip „Außen vor Innen“ umzusetzen. Deshalb sind Sport und körperliche Bewegung im Freien weiter möglich. Kinder und Jugendliche bis 14 Jahren können in Gruppen bis zu fünf Personen gemeinsam mit einem getesteten Trainer bzw. einer Trainerin im Freien Sport treiben.
Außerdem haben wir zur faktischen Durchsetzung der notwendigen Begrenzung von privaten Zusammenkünften, die leider eine zentrale Rolle bei der Übertragung von Corona einnehmen, eine nächtliche Ausgangsbeschränkung zwischen 22 Uhr und 5 Uhr morgens eingeführt, wenn die Inzidenz in einer Region bei über 100 liegt. Gerade auch auf Grund vieler Zuschriften und Stellungnahmen aus der Bevölkerung haben wir aber gleichwohl dafür gesorgt, dass Einzelpersonen dann auch bis 24 Uhr noch im Freien spazieren gehen oder sich körperlich betätigen können. Ich halte dies für einen sachgerechten und pragmatischen Kompromiss.
Schulen und Kitas sind derzeit vom Infektionsgeschehen besonders betroffen. Durch die bundeseinheitliche Regelung, wonach ab einer Inzidenz von 165 – das ist der ungefähre Durchschnittswert aller 16 Bundesländer beim Inzidenzwert am Tag der Einigung bei den Verhandlungen zum Gesetz – Schulen in den Distanzunterricht überzugehen haben, bekommen Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer sowie Eltern Klarheit. Dies ist angesichts der bisher häufig kurzfristigen Mitteilungen über Schulschließungen für alle Beteiligten von Vorteil und bringt eine bessere Planbarkeit mit sich. Unterhalb der Schwelle von 165 bleibt es bei den jeweiligen Regelungen in den einzelnen Bundesländern und der Präsenzunterricht ist möglich, wobei dieser bei einer Inzidenz zwischen 100 und 165 in Form von Wechselunterricht stattfinden muss. Flankiert wird diese Regelung durch zwei Testungen je Woche als Voraussetzung für die Teilnahme am Präsenzunterricht. Den Ländern ist es zudem unbenommen, den Distanzunterricht auch schon früher anzuordnen.
Kinder und Jugendliche leiden besonders unter den Einschränkungen im Kita- und Schulbetrieb. Wir haben uns daher jetzt auch auf ein zwei Milliarden Euro schweres Sonderprogramm für Kinder und Jugendliche im Nachtragshaushalt geeinigt. Damit werden wir aufgetretene Lernrückstände in den Blick nehmen und zusätzliche Nachhilfeangebote schaffen. Auch zusätzliche sozialpädagogische Arbeit in den Bildungseinrichtungen und schwerpunktmäßig im Umfeld von Schulen mit besonderen sozialen Herausforderungen wird damit stärker gefördert.
Viele Familien leiden unter der Doppelbelastung von Homeoffice und Homeschooling. Um hier weiter etwas Erleichterung zu schaffen, weiten wir nun nochmals den Rechtsanspruch auf Kinderkrankentagegeld aus. Künftig sind 30 Tage pro Kind möglich (zehn mehr als bisher), für Alleinerziehende sind es 60 Tage (20 Tage mehr als bisher).
Darüber hinaus enthält das neue Bevölkerungsschutzgesetz auf Druck der SPD eine Klarstellung zur Anwendbarkeit der vorbeugenden Feststellungsklage. Hiernach kann der einzelne Bürger vor dem Verwaltungsgericht auf Feststellung klagen, dass sich aus dem Gesetz keine Rechte oder Pflichten für den Klagenden ergeben. Dies war den Rechtspolitikerinnen und Rechtspolitikern der SPD besonders wichtig, da es den Bürgerinnen und Bürgern nicht zumutbar ist, erst gegen eine Corona-Vorschrift zu verstoßen, um dann ihre Anwendbarkeit auf den jeweiligen Einzelfall in einem dann folgenden Gerichtsverfahren klären zu können. Auch hier beachten wir also klar rechtsstaatliche Prinzipien und Grundrechte.
Alle jetzt getroffenen Einschränkungen und Regelungen sind bis zum 30. Juni befristet. Im weiteren Verlauf werden wir auch Ausnahmen für bereits geimpfte Personen einführen, die der Bundestag demokratisch und rechtsstaatlich beschließen wird.
Ich möchte abschließend nochmals meinen Dank für die vielen Zuschriften aus der Bevölkerung zum Ausdruck bringen, da ich die Sichtweisen, Anregungen und auch Forderungen von Bürgerinnen und Bürgern aus meinem Wahlkreis sehr ernst nehme und in die Abwägungen und Gedanken bei meiner politischen Willensbildung und Entscheidungsfindung einfließen lasse. Im Falle der Änderungen beim Infektionsschutzgesetz war es so, dass die Kommentare und Meinungen, die mich aus der Bevölkerung erreicht haben, wirklich sehr unterschiedlich waren. Dies zeichnet eine demokratische Gesellschaft auch aus. Den einen gingen die Pläne der bundesweiten „Notbremse“ insgesamt zu weit, andere haben die geplanten Regeln als nicht weit und hart genug bezeichnet, andere wiederum haben punktuelle und sehr konkrete Anregungen für bestimmte Detailaspekte gegeben.
In der Gesamtabwägung aller Umstände und der politischen Bewertung der Lage habe ich den Änderungen des Infektionsschutzgesetzes wie beschrieben zugestimmt. Ich hoffe, meine Beweggründe und meine Sicht der Dinge mit den obigen Ausführungen hinreichend deutlich und transparent gemacht zu haben.
Mit besten Grüßen und Wünschen für eine gute Gesundheit
Andreas Rimkus